Montag, 16. Mai 2011

Basler Zeitung/HerbertBlaser/Heiliger Gral 14.04.2011

Verdingbub sucht den Heiligen Gral

Peter de MarchiIn Herbert Blasers (45) Krimi «Cratalis» kommt ein Basler Kommissar den Hintergründen für einen Massenselbstmord auf dem Scheltenpass auf die Spur. Aber eigentlich fängt alles im Emmental an.
«E Chlapf a Gring» wäre weniger schlimm gewesen, weniger schlimm als die ständige Angst davor, sich zu versündigen, die ständige Angst, dem Bösen ausgesetzt zu sein. Herbert Blaser ist als Verdingbubauf einem Bauernhof im Emmental aufgewachsen. Nein, nicht das klassische Schicksal des Verdingbuben: karge Kost, harte Bettstatt, schuften bis zum Umfallen, Schläge. Herbert Blaser fühlt sich aufgehoben, ist Teil der Familie – diese Familie aber gehört der Pfingstgemeinde an, christliche Fundamentalisten, Frömmler. «Ich musste beichten, mich kasteien, um Vergebung bitten. Schuldgefühle noch und noch.» Das prägt seine Jugend.
Hoffart und Sünde. Herbert Blaser lernt Goldschmied, besucht die Kunstgewerbeschule in Bern. Seine Liebe aber gehört dem Theater. Er schliesst sich während der Ausbildung einer freien Theatergruppe an, steht auf der Bühne. Die Gruppe aber bewegt sich im selben religiösen Umfeld wie die Emmentaler Bauernfamilie. Was gespielt wird, muss in den christlichen Rahmen passen, sonst ist Schauspielerei nur Hoffart und Sünde.
Nach der Ausbildung kommt der Befreiungsschlag; Herbert Blaser haut ab, will auf eine Weltreise und landet in Marseille: «Jung, stark, aber ohne Geld», sagt er. Ohne Geld in der Fremde, Herbert Blaser meldet sich bei der Fremdenlegion. Ein Jahr später haut er ab. «Ich war ein Deserteur, aber die Ängste waren weg.»
Sein Weg ist offen; er besucht Theaterschulen in Bern, Zürich und New York. Herbert Blaser beschreibt sein damaliges Gefühl: «Keine Sünde, keine Plage, keine Trübsal. Frieden in Stille, Frieden in der Vollkommenheit des Ganzen.»
Die ultrareligiöse Vergangenheit hat er äusserlich abgestreift wie einen Mantel, die Fragen aber bleiben: Warum wird ein Kind im Namen Gottes so drangsaliert, warum lässt man es aufwachsen in der ständigen Angst, sich zu versündigen?»
Herbert Blaser macht sich auf die Suche nach der Wahrheit, nach dem Heiligen Gral. Er liest, reist durch halb Europa und glaubt schliesslich, die Wahrheit gefunden zu haben. In fast schon sträflicher Verkürzung: Der Heilige Gralist das Hochzeitsgeschenk eines reichen jüdischen Kaufmanns an den Rabbiner Jesus. Wenn diese Wahrheit aber ans Licht käme, würde das ganze christliche Gottesbild in sich zusammenbrechen. Jesus wäre ein Mensch gewesen, es gäbe keine Dreifaltigkeit und damit auch keinen HeiligenGeist.
Direkte Linie. «Ein Lügengebäude würde in sich zusammenbrechen», sagt Herbert Blaser. Mit Macht, Gewalt und Unterdrückung verteidigt die Kirche seit 2000 Jahren ihren allumfassenden Anspruch auf die einzige Wahrheit. Es gibt für Blaser eine direkte Linie von den Tempelrittern, die die Wahrheit kannten und gemeuchelt wurden, hin zu den Tausenden kleinen Verdingbuben, denen eingetrichtert wird, dass das Böse in ihnen steckt, in der Natur, in allem, was sie lieben. «Nur das Gebet und der Mann Gottes kann sie sicher durch dieses Reich des Bösen führen.»
Herbert Blaser hat seine religionsgeschichtlichen Studien und Reflexionen bereits als Essay in Buchform herausgegeben. Jetzt verarbeitet er das Thema als Thriller: Massenselbstmord von Sektenmitgliedern auf dem Scheltenpass. Kommissar Wyss kommt einem schaurigen Geheimnis auf die Spur: Die Sektenmitglieder wussten etwas über den Heiligen Gralund mussten dieses Wissen mit dem Leben bezahlen…
Der erste Teil des Buches ist als Hörbuch beim deutschen Action Verlag erschienen. Jetzt entscheidet die Anzahl der Bestellungen und der Hörerreaktionen im Blog , ob Blasers Thriller vielleicht noch in diesem Jahr gedruckt wird.
Eine Frage an den Autor Blaser drängt sich auf: Versucht er etwas billig auf der Erfolgswelle von Dan Browns Megasellern «Illuminati» und «Sakrileg» zu reiten. Blaser lacht. Seine Gralssuche habe er lange vor Dan Browns Romanen begonnen – und von Browns Erfolgen, «ja, davon träume ich».
Herbert Blaser: «Ich fand den Heiligen Gral», Verlag novum pro. 21 Franken.
Hörbuch «Cratalis» unter: > www.baz.ch/go/blaser
Eine Beiz schreibt Kleinbasler GeschichteBuch im Herbst. Der «Alte Schluuch» an der Greifengasse war früher die Beiz auf der Gasse schlechthin. Hier verkehrte alles, Eisenleger und Matrosen, Intellektuelle, Studenten, Zuhälter, Nutten, Schauspieler und Knastbrüder. Herbert Blaser kennt die Beiz; er arbeitete selber dort am Buffet und ist heute der Lebenspartner der Tochter der langjährigen Wirtin Johanna Dettwiler. Über die Beiz hat Blaser ein Buch geschrieben: «Schluuch-Geschichten – Anekdoten und Erinnerungen aus dem berühmten Kleinbasler Lokal». Es sind Anekdoten, Erinnerungen und Erzählungen aus über 50 Jahren Kleinbasler Geschichte; illustriert mit Fotos von Gaudenz Lüdin und Georg Freuler. Das Buch wird im Herbst im Basler Spalentor Verlag herausgebracht. 2001 hat Johanna Dettwiler das Restaurant verkauft – nach 53 Jahren. Blaser lässt die wechselhafte Geschichte der Beiz aufleben, auch jene Phase, als Junkies das Kleinbasel überrollten.pdm